„Griechen werden seit 2009 von den Massenmedien karikiert.“

Interview mit dem Medienwissenschaftler YIANNIS MYLONAS.

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Please cite this article as: Mylonas, Yiannis. (2015). „Griechen werden seit 2009 von den Massenmedien karikiert.“ Interview by Simone Seyringer. in: XING Magazin, #30, pp 50-57; Download article reference as [RIS], [BIbTex]

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Herr Mylonas, Sie haben die Berichterstattung über die „Griechenland-Krise“ in zwei Deutschen Nachrichtenmedien, Bild Zeitung und Spiegel, untersucht. Sehen Sie gravierende Unterschiede im Stil der Berichterstattung zwischen dem Boulevard- und dem Qualitäts-Medium?

Meine Vorstellung war a) eine indikative Zeitung der so genannten „Yellow Press“, wie die Bild-Zeitung, und ihre Berichterstattung im Bereich Politik, z. B. Über die Krise in Griechenland und b) ein Magazin, das als glaubwürdig, objektiv und investigativ betrachtet wird, wie der Spiegel, zu dem gleichen Thema zu untersuchen. Ich habe die beiden unterschiedlichen Medien in zwei Perioden analysiert. Die Berichterstattung der Bild Zeitung zur so genannten Griechenland-Krise in den Jahren 2009 bis 2012, und die Berichterstattung im Spiegel zum gleichen Thema in den Jahren 2009 bis 2014.
Die Unterschiede, die ich gefunden habe, betreffen großteils den Stil, wie das Thema repräsentiert wird. Der Spiegel bietet mehr in der Art einer „objektiven“ der Berichterstattung und vermeidet eine plumpe Ausdrucksweise, wie sie die „Yellow Press“, bzw. die Bild-Zeitung benützt. In diesem Sinn könnte Der Spiegel eher als „politisch korrekt“ gesehen werden als die Bild-Zeitung. Gleichzeitig aber ist die ideologische Positionierung der beiden Medien – wie sie das Geschehen der Eurokrise über das sie berichten, in einen Sinnzusammenhang stellen (Wer ist verantwortlich? Wie ist das Problem zu lösen? usw.) – im Grunde gleich. Der Spiegel vermeidet zwar groben Nationalismus und gehässige Empörung, wie man sie in der Bild-Zeitung findet, aber, ebenso wie die Bild-Zeitung, steht auch der Spiegel positiv hinter der politischen Position der Deutschen Regierung. Die Austeritätspolitik wird klar favorisiert, ohne die deutschen wirtschaftlichen Interessen, ihre Verantwortlichkeiten und politische sowie wirtschaftliche Macht in der Eurokrise zu hinterfragen.
Beide Medien wählen eine kulturalistische Sichtweise der Krise, d. h. sie machen eher nationale Eigenheiten dafür verantwortlich und sehen Griechenland als Europäische Ausnahme, als die Krise in einer systemischen Perspektive zu betrachten und Globalisierung, freie Märkte, Finanzialisierung der Wirtschaft und entfesselte Finanzaktivitäten einzubeziehen, um ein paar Beispiele für systembezogne Faktoren der globalen Krise zu nennen, in der die Eurokrise nur ein Teil des Phänomens ist, das 2007 in den USA seinen Ausgang nahm. Sie versäumen es, ein strukturelles Verstehen der Krise und der Fehler des gegenwärtigen Wirtschaftssystems im Spätkapitalismus zu ermöglichen, und bieten nur einen sehr engen und eher nationalen Ausschnitt des Geschehens dar – zumal die globale Wirtschaft mächtige Länder wie Deutschland bevorzugt – und geraten in einen wichtigen Widerspruch: Wenn man den Wettbewerb (als Haupttriebkraft des Kapitalismus) verteidigt, kann man per se nicht Gleichheit zwischen den Ländern in wirtschaftlicher oder politischer Hinsicht herstellen; Die Ungleichheiten werden sich nur vertiefen, weil es im Wettbewerb nicht um Solidarität oder Gleichheit geht. Daher schwächen die so genannten „Hilfen“ oder Notkredite im Gegenzug von Sparmaßnahmen und Reformen die Griechische Wirtschaft und (damit) seine politische Position. In diesem Sinn berichten beide Medien falsch, aber offenbar nützt ihre Unterstützung von Austeritätsmaßnahmen den Kapitalinteressen Deutschlands. Beide Blätter diskutieren oft die sogenannten „Rettungs“-Maßnahmen an Griechenland aus Sicht der deutschen Steuerzahler, das behaupten sie zumindest, aber ohne die Prinzipien, auf denen diese Darlehen an Griechenland beruhen, zu hinterfragen. Sie hinterfragen auch die Tatsache nicht, dass diese Kredite an deutsche und französische Banken, die sich an riskanten Kreditgeschäften in Griechenland beteiligt haben – einem Land, dessen Produktivität sie nach dem Eintritt in die Eurozone zusammenbrechen sahen und das von einem korrupten politischen Establishment geführt wurde – refundiert werden. In diesem Sinn ist die vermeintliche Verteidigung deutscher Steuerzahler nicht gut abgesichert und wahrscheinlich/vielleicht prätentiös.
Das kulturalisierte Verständnis der Krise – vorgebracht von den konservativen Eliten in Deutschland und der EU, dem unter anderen auch die beiden untersuchten Medien, die Bild-Zeitung und der Spiegel folgen – entfremdet die Griechen von anderen Europäern. Eine alte kolonialistische Vorstellung wird hier wiederbelebt, die Griechenland als „Balkan“ oder „ottomanisch“ und so sowohl kulturell als auch genetisch als verschieden von „Europa“ betrachtet. Ein gefährlicher Weg wird hier eingeschlagen, der in der Bevölkerung rassistische Reflexe provoziert und gleichzeitig mit dem Aufruf zur kollektiven Empörung gegen die Griechen (und andere Südeuropäer) daher kommt, weil sie angeblich die Wurzel für die eigenen (deutschen und nordeuropäischen) Probleme und Unsicherheit sind. In jedem Fall sind kulturalistische Vorstellungen an sich rassistisch, sie verbreiten eine neue Form des Rassismus – der auch von der extremen Rechten befördert wird – und viel geschliffener als frühere Formen des Rassismus erscheint. Die Rassifizierung der griechischen Menschen ist heute ein Faktum, das besonders Griechen erleben, die durch die Krise gezwungen in andere EU-Länder auszuwandern.
Des Weiteren sind beide Medien völlig unkritisch gegenüber der gescheiterten Austeritätspolitik und schreiben ihr Versagen der angeblichen Reformunwilligkeit der Griechen zu, obwohl kein Land solche anti-sozialen „Reformen“ umsetzen könnte, wie es in Griechenland seit 2010 getan wird. In diesem Sinne produzieren Mainstream-Medien verzerrte „Informationen“ über die Krise und die gescheiterte Austeritätspolitik, obwohl sogar der Internationale Währungsfonds Fehler in den eigenen Berechnungen zu den in Griechenland umzusetzenden Austeritätsmaßnahmen zugegeben hat.
Gleichzeitig vermeiden es beide Medien in Deutschland Verantwortung für die Krise zu suchen. Zum Beispiel die Verwicklung deutscher multinationaler Konzerne in schwerwiegende Korruptions-Skandale in Griechenland (wie der von Siemens) wird nicht oft erwähnt. Statt dessen findet man häufig Beispiele für Kleinkorruption in Griechenland, über Menschen die Beamte bestechen oder Fälle wo Menschen Pensionen für Verstorbene einstreifen, um zu beweisen, dass Korruption in der griechischen Gesellschaft endemisch ist. Die rassistischen Verbrechen der Wehrmacht an der griechischen Bevölkerung, als Griechenland während des Zweiten Weltkrieges besetzt war – was zur völligen Zerstörung des Landes führte und einem von 14 Griechen das Leben kostete – sowie Deutschlands Weigerung, durch geschicktes politisches Taktieren, Reparationen an Griechenland zu zahlen, wird ebenfalls von den Medien gemieden. Genauso wie die 1953 geschlossen Vereinbarung Deutschlands Kriegsschulden an die Länder, die es zerstört hat – Griechenland ist eines davon – zu annullieren. Diese Praxis macht Deutschland noch dazu zum Opfer in der deutschen Öffentlichkeit und lässt es als einen ehrlichen und großzügigen Partner erscheinen, der von den Halunken in Europa betrogen wird.
Giles & Sussman kritisierten in ihrem Artikel, dass U. S. Journalisten in ihrer Berichterstattung zur Finanzkrise sehr eng auf Debatten der politischen Elite fokussiert haben, und dabei andere Dimensionen der Krise verschwanden. So wurde das Thema stark eingeengt und nicht versucht, seiner Bedeutung auf verschiedenen Ebenen gerecht zu werden z. B. Thematisch: steigende Arbeitslosigkeit, Armut, Einfluss auf soziale Sicherheit, und diskursiv: z. B. Vielfalt an Experten und Theorien. Können Sie auch in Ihrem Sample, das sich auf zwei deutsche Massen-Medien bezieht, Ähnlichkeiten sehen?
Dieser Befund lässt sich auch auf Europäische Medien übertragen. Bezogen auf die Medien, die ich analysiert habe zeigt sich, dass die Bild-Zeitung weiterhin monoton ihre Lügen und Stereotype gegen Griechen propagiert und sie als Halunken von Europa präsentiert. So erscheinen die Folgen der Austeritätsmaßnahmen als eine gerechte Strafe. Der Spiegel hat 2012 mit einem Fokus auf die menschliche Seite der Krise und der Austeritätspolitik begonnen. Diese Art der Berichterstattung gestaltete sich jedoch so, dass sie losgelöst ist von einer Kritik an der Politik, die dieses menschliche Leid und Zerstörung in der Gesellschaft produziert, wie es die Griechen erleben. Die Austeritätspolitik wird großteils von den beiden Medien mitgetragen und als notwendig, objektiv richtig und alternativlos dargestellt. So präsentiert die Berichterstattung zur Eurokrise menschliches Leid als Kollateralschaden notwendiger und richtiger Politik. Trotz ihres völligen Versagens, die wirtschaftlichen Ergebnisse zu erzeugen, die proklamiert wurden (wie Wettbewerb fördern, Wachstum erzeugen und den griechischen Staat „Rationalisieren“). Das Erzeugen von Mitleid schafft keine Solidaritäten und entfremdet die Griechische Unterschicht und Arbeiterklassen weiter von den Deutschen. Wieder wird eine symbolische Strategie der Ausnahmen gespielt, die es versäumt sich mit wichtigen Themen der Krise und ihres Managements durch die EU-Eliten zu befassen. So wird Austeritätspolitik weiter legitimiert, und die Berichterstattung des Spiegel mit ihren humanitären und sozio-politischen Effekten der Krise dienen als Alibi, das die deutsche Verantwortung in dieser Krise verdeckt.

Wie werden politische Eliten in den beiden Medien präsentiert?

Die Mainstream-Medien stellen politische Themen entweder unpolitisch dar, als technische Angelegenheiten, die durch wirtschaftliche Eingriffe in problematischen Gesellschaften gelöst werden, oder aus einer sogenannten „realistischen“, post-ideologischen Perspektive. Die Diskussion über Krisen-Politik findet auf der Basis technokratischer Kosten-Effizienz-Analysen statt, aus der Sicht nationaler Standpunkte und Kapitalinteressen. Das erscheint als „realistische“ Perspektive, während Argumente, die die hegemoniale Austeritätspolitik und ihre Vorstellung von Wirtschaftswachstum in Frage stellen, als ideologisch, veraltet, irrational und gescheitert diffamiert werden. Es ist ein fast vollständiges Fehlen einer Ideologie-Diskussion festzustellen, was die Möglichkeit kritische Argumente einzubringen, die anti-soziale und anti-demokratische Maßnahmen in Frage stellen, begrenzt. Gleichzeitig lässt eine solche entpolitisierte Darstellung von Politik nicht viel Raum für die Berichterstattung über Alternativen zur Austeritätspolitik. Alles, was Austeritätspolitik in Frage stellt, wird als populistisch und sogar extremistisch präsentiert, obwohl die fundamentalistische Schützenhilfe für die Austeritätspolitik extremistisch ist.
Auch Politiker werden in einer ähnlich entpolitisierten Weise präsentiert und als Experten oder starke Führer beschrieben, die in der Lage sind wirtschaftliche Ziele umzusetzen, effektiv im Wettstreit mit ihren Gegenspielern taktieren, um so den größten Vorteil für die nationalen Kapitalinteressen herauszuschlagen. Von Experten wird angenommen, dass sie komplizierte Einheiten durchschauen, die entfernt sind von der Öffentlichkeit, und instrumentelle Logiken über Werten und breiteren Partizipationsformen in Entscheidungsprozessen dominieren. In Wirklichkeit sind solche Prozesse ausgrenzend, da die Interessen und Identitäten der unteren Klassen verdreht werden und die Öffentlichkeit hat kaum Möglichkeiten einer effektiven Intervention. In dieser Hinsicht ist das Hauptproblem einer entpolitisierten Repräsentation das Preisgeben der demokratischen Werte, die die Politik leiten sollten, insbesondere was Europa betrifft, das sich als demokratisch präsentieren will.

Kommen wir zu den letzten Wochen, was denken Sie persönlich über die Berichterstattung (Referendum, Verhandlungen in Brüssel)

Aus politischer Sicht waren die vergangen Wochen sehr intensiv und hektisch für Europa und speziell für Griechenland. Viele konzentrierte und widersprüchliche Ereignisse machen die Analyse der fortdauernden Realität der Krise in Europa sehr schwierig. Ich habe jedoch die Berichterstattung zum Thema in griechischen und dänischen sowie einiger britischer Medien mitverfolgt und kann sagen, dass die griechischen Mainstream-Medien eine fürchterliche Propaganda-Strategie lanciert haben, die das Referendum stark unter Druck setzte, um die Wahl in Richtung pro-Austerität zu verschieben und Griechenland in der Eurozone zu halten. Die griechischen Massenmedien sind im Besitz griechischer Oligarchen, die Interesse daran haben, Griechenland um jeden Preis in der Eurozone zu halten. Glücklicherweise sind die Menschen angesichts dieser Propaganda nicht in die Knie gegangen. Die erlebte, schonungslose Wirklichkeit der Rezessionsspirale, ohne klares und positives Ende in Sicht, zeigte die Grenzen derartiger Propaganda auf.
Auch die nordeuropäischen Medien versuchten das Referendum zu delegitimieren, mit bemerkenswerten Argumentation zu Griechenland, die ich auch in meiner Studie zu den deutschen Medien gefunden habe. Über das Referendum wurde also sehr schwach und in falscher Weise berichtet, es wurde als umstritten, „unlogisch“, sogar undemokratisch (!), und als eine weitere Nummer der griechischen Halunken, um das Zurückzahlen ihrer Schulden zu vermeiden und sich aus ihrer Verantwortung für „das Chaos, das sie (vermeintlich) angerichtet haben“ und weiter anrichten, stehlen können. Das Referendum wurde ebenso karikiert wie die griechischen Menschen systematisch von den Massenmedien überall auf der Welt seit 2009 karikiert worden sind. Diese Berichterstattung war effektiv indem sie die nördliche europäische Öffentlichkeit von den gemeinsamen Anliegen mit den griechischen Menschen entfremdet haben. Glücklicherweise hat sich eine wachsende Solidaritätsbewegung in Europa entwickelt, von der wir hoffen können, dass sie weiter wächst angesichts des wirtschaftlichen und technokratischen EU-Autoritarismus.

Können Sie uns Ihre Beobachtungen vielleicht noch an einem konkreten Beispiel aus der Politik zur Finanzkrise schildern? Wie wurde Yanis Varoufakis in der medialen Öffentlichkeit präsentiert?

Die Zeitspanne, in der ich die Berichterstattung in der Bild-Zeitung und im Spiegel beobachtete, endete bevor Syriza gewählt wurde und bevor Yanis Varoufakis Finanzminister wurde. Dessen ungeachtet habe ich verschiedene Medien, nicht nur deutsche sondern auch andere europäische Mainstream-Medien, mitverfolgt und die Art und Weise, wie sie über Syriza und Varoufakis berichteten, beobachtet. Wegen seiner Bedeutung als Finanzminister, seiner ökonomischen Fachkenntnisse und seiner keynesianischen Herangehensweise an die Finanzkrise und Austeritätspolitik, seines Selbstvertrauens und akademischen Diskussionsstils sowie Argumentation, auch wegen seines unkonventionellen Auftretens – er präsentierte sich nicht wie ein weiterer grauer Yuppie in Anzug – lancierte das politische und mediale Establishment einen massiven Kommunikationsangriff auf Varoufakis. Das Hauptziel dabei war, ihn systematisch zu diskreditieren und mit ihm die linke griechische Regierung als „nicht seriös“, oder unverständlich, zu attackieren, die vermeintlich keine glaubwürdigen Vorschläge für Verhandlungen abliefert, um nur einige Beispiele irreführender Angriffe zu nennen. Die EU-Eliten bevorzugten ihre Jasager-Puppen in Griechenland, die die Austeritätspolitik nicht all zu sehr in Frage stellen und alle Schuld, die die europäischen Kernländer Griechenland aufladen, akzeptieren würden. Und die auch so aussehen und sich so benehmen wie sie selbst. Varoufakis hat den „Euro-Partnern“ (sic) Argumente vorgelegt, wonach Austeritätspolitik heute nicht funktioniert und auch in Zukunft nicht funktionieren wird, um Alternativen zu suchen, die sich für alle besser auswirken. Die Interessen jedoch, von denen die EU-Politik geleitet wird, scheinen für vernünftige Argumentation keinen Raum zu lassen. Da die Austeritätspolitik in Griechenland im Interesse Deutschlands, Hollands und anderer EU-Kernländer ist, müssen Argumente dagegen ausgelöscht werden. So wurde Varoufakis im Medienspektakel zum Exoten und Macho gemacht und dann als umstritten, arrogant, unverständlich, narzisstisch, usw. verleumdet, sodass seine Argumente in der europäischen Öffentlichkeit nicht gehört wurden, bis er schließlich vom Regierungsamt entfernt wurde, um ihn gegen einen unterwürfigeren Kandidaten auszutauschen.
Ich glaube, das war die primäre Kommunikationsstrategie der europäischen Führung gegen Varoufakis. Die Medien, in ihrer üblichen Unterhaltungsstimmung, fokussierten auf oberflächliche Elemente (z. B. Kleidungsstil und Erscheinungsbild), statt über eine Debatte über die Krise und die Austeritätspolitik zu berichten oder gar einzusteigen. Wie üblich versäumten es die Journalisten die theoretischen Debatten zu erfassen – vielleicht aus Mangel an Wissen, oder wegen ihrer eigenen politischen Überzeugungen und den Verflechtungen mit der Politik – und folgten der Kommunikationslinie ihrer nationalen Regierungen. Varoufakis eigene Fehler hatten damit zu tun, dass er sich tatsächlich zu kompromissbereit zeigte und zu viel Vertrauen in die das demokratische Ethos der EU setzte, was sich durch den neoliberalen Fundamentalismus und wachsenden Autoritarismus der EU als tragischer Irrtum erwies.

Zum Schluss noch ihre persönliche Einschätzung über die Rolle der Medien als vierte Säule der Demokratie. Wie sehen Sie diese Rolle im Licht der jüngsten Ereignisse?

Meine Studien zeigen, dass die Berichterstattung über die Krise der Eurozone die Art bürgerlicher Mentalität und Subjektivität produziert, wie sie von der Austeritätspolitik benötigt wird. Wie Margret Thatcher sagte, „the important thing is to win the hearts and the minds of the people“. Durch die repetitive und monotone, „objektive“ oder entrüstete Berichterstattung über die Krisenverhandlungen der EU, über die Einführung neoliberaler Reformen – trotz ihres Scheiterns und dem Elend, das sie der griechischen Bevölkerung bereiten – und durch das effektive Umgehen demokratischer Entscheidungen und Prozesse, zugunsten vermeintlicher wirtschaftlicher Notwendigkeiten, wird in der Öffentlichkeit ein bestimmtes Paradigma durchgesetzt, wie man über die Krise, die Politik und die Wirtschaft denkt und wie man sich als konkurrenzfähiges wirtschaftliches Individuum verhält. Diese Art der Berichterstattung über die Krise, die die Medien anbieten ist verbunden mit den neuen Erfordernissen für einen post-sozialen Wohlfahrtsstaat, den Konservative und Neoliberale in Europa vorantreiben. Das spezifische, neoliberale Framing der Krise, das unter anderem in der Bild-Zeitung und im Spiegel dargeboten wird, befördert öffentlich die neoliberale Moral. Mit dem (selbst-)überwachen der sogenannten Reformen in Griechenland und in anderen Ländern, dem Zelebrieren der Austeritätspolitik und einer Art gemeinsamem Pseudo-Wissen über entlegene geografische Orte und Gesellschaften, ist Prozess der wirtschaftlichen Akkumulation und Profiteering gedient, während weltweit die Lebensumstände, gemeinsame Anliegen und Interessen weiter auseinanderdriften.







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