Die ganze Welt liebt Portland(ia)

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von

Jana Horvath

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Portlandia, die TV-Satire auf die moderne Öko-Ideologie, spielt in Portland, einer Millionenstadt im mittleren Westen der USA. Doch in Portland wird nicht nur recycelt was das Zeug hält, man will das Umweltbewusstsein der Menschen auch wirtschaftlich nutzen. Der Mix aus Öko-Kultur und globalem Missionsdrang scheint sich sowohl in Portland als auch in Portlandia gegenseitig zu befeuern.

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Alles zum Thema „Urban Imagineering“ in XING 31

mit Beiträgen von Julya Rabinowich, Richard Senett, Neil Brenner, Chiara Lorenzo u.a.m. Hier XING 31 online oder Ausgabe per Email bestellen, oder ein XING 31 :: Info herunterladen.

Portland, Orgegon, ist eine prosperierende Metropolregion mit 2,2 Millionen Einwohnern und eine der bemerkenswertesten Marken in den Vereinigten Staaten. Portland führt regelmäßig die Rankings der umweltfreundlichsten Städte. Und das mit gutem Grund: Das Verkehrssystem der Region reicht bis in entlegene suburbane Bereiche, und bietet auch ein dichtes Netz an Radwegen. Die Einwohner recyceln mehr als die Hälfte ihres Hausmülls. Schon in den 1970ern erließ Ron McCall, der damalige republikanische Gouverneur, ein Gesetz, das Investitionen in den Kernzonen – gegenüber Randbereichen – der Stadt begünstigte. In den 1950ern, als überall sonst der städtische Umbau zur autofreundlichen Stadt stattfand – sprengte man in Portland die Autobahn am Willamette River, und baute stattdessen einen Park im Hafengebiet. Das Viertel mit alten Häuserzeilen, Privatbrauereien und schicken Restaurants wurde ein Magnet für Musiker, Künstler und Tech-Nerds. Heute bildet es auch die Steilvorlage für „Portlandia“, eine TV-Satire auf die Öko-Erlösungs-Ideologie.
Wo auf der Welt könnten solche Szenen sonst stattfinden?
In der Serie geht um das Leben in Hipster-Enklaven und ihre Selbstwahrnehmung, die sie diese Bezeichnung vehement ableugnen lässt. Sie werden niemand finden, der sich Hipster nennt, allenfalls aufgeklärt, gesundheits-, umwelt oder modebewusst … Viele dieser Charaktere identifizieren sich mit der Do-It-Yourself-Kultur und lehnen Büro-Jobs ab, um zum Beispiel Zierkissen-Designer mit einem Shop auf Etsy zu werden. „Portlandia“ ist in dieser Hinsicht eine Parodie auf den Freuds´schen Narzissmus der kleinen Unterschiede: Das Bedürfnis auf kleinste Unterschiede zu beharren und die große Bedeutung dieser minimalen Schattierungen militant zu verteidigen.
Carrie Brownstein, Produzentin und Autorin der Serie, meinte einmal „In general, things in a place like Portland are really great, so little concerns become ridiculous. There are a lot of people here who can afford – financially but also psychologically – to be really, really concerned about buying local, for instance. It becomes a mock epic. Once I was standig in line at Whole Foods, and the guy in front of me says, `I really wish you guys sold locally made fresh pasta.´ And the cashier says, `Look, we do.´ And the guy says, `No, no – that´s from Seattle.´ Really? You don´t have a bigger battle?“
Portlandia zeigt eine übersteigerte Version einer putzigen Form von Urbanität: Eine Firma verkauft handgefertigte Glühlampen, ein Hotel bietet allen Gästen Schreibmaschinen an, ein lokales Großereignis ist die „Allergy Pride Parade“. Fred Armisen und Carrie Brownstein spielen die meisten Figuren, die in der Serie portraitiert werden: Radfahrer-Rechte-Aktivisten, „dumpster divers“ [Menschen, die die Müllcontainer von Lebensmittelmärkten durchsuchen], Aktivisten, die gegen die theoretische Möglichkeit demonstrieren, dass die Olympischen Spiele in Portland abgehalten werden, oder Tierliebhaber, die so überdreht von Mitgefühl sind, dass sie angeleinte Hunde vor Restaurants „befreien“. Portlandia könnte Portland im Weichzeichner-Modus sein.
Aber auch wenn man in Portland tatsächlich nur organic local food zu sich nimmt und den offen-schwul lebenden Bürgermeister liebt, gehört die Region obendrein zu den Exportmeistern der USA. Über 18 Prozent der regionalen Wirtschaftsleistung geht in den Export. Zwischen 2003 und 2010 konnte hier ein Zuwachs von fast 110 Prozent erreicht werden. Im Hipster-Paradies fühlen sich nämlich auch Computer- und Elektronikfirmen sehr wohl.
Der Grundstein dafür wurde schon 1946 gelegt, als vier Kriegsveteranen Tektronix gründeten, eine Firma die Oszilloskope herstellte. Aus Tektronix wurde einer der größten Messinstrumente-Hersteller und das Unternehmen gründete außerdem auch zahlreiche innovative Spin-Offs.
Als 1976 Intel im nahegelegenen Silicon Vally aufstieg, konnte sich Portland mit günstigeren Arbeits- und Materialkosten gut positionieren. Intel verlegte daher ein Ingeneurs-Team nach Portland, wo später der Pentium Prozessor entwickelt wurde, für den Intel bekannt ist. Auch Konkurrenten und Zulieferer von Intel siedelten sich in der Folge in der Region an. Die Computer- und Elektronik-Branche beschäftigt heute 33.200 Menschen in Portland und dank Intel und TriQuint (ein Spin-Off von Tektronix) gehört die Region zu den Top-Exporteuren der USA.
Portland und Portlandia schaffen zusammen offenbar die Quadratur des Kreises: Eine florierende, international vernetzte Industrie und eine Spitzenposition in Nachhaltigkeit. Letztere soll der Nährboden für zukünftiges Wachstum sein. Die kleinen Manufakturen und kreative Do-It-Yourself-Experimentierer könnten einen First-Mover-Vorteil für Portland bedeuten. Schon heute gibt es erfolgreich Beispiele in der Region, wo sich diese Hoffnung bestätigt hat.
Interface Engineering etwa, eine Firma die nachhaltige Gebäudetechnik anbietet, konnte einen 5-Jahresvertrag für ein Renovierungsprojekt in Doha, Qatar, an Land ziehen. LRS Architects sind im Zhangjiang, Shanhais Hi-Tech Park, für nachhaltige Entwicklung engagiert. SSI Shredding Systems konnte weltweit Kunden für ihr Feststoffabfall-Recycling System gewinnen, wie etwa das Umweltministerium in Singapur und Samsung in Korea.
Mit „Portlandia“ ist wieder ein Exportschlager produziert worden und noch dazu einer, der vielleicht wie zusätzlicher Zündstoff für die Brand „Portland“ und die damit verbundene wirtschaftliche Entwickelung wirkt. Es scheint, dass hier Authentisches und Parodie eine Mesaillance eingegangen sind, und keiner kann mehr bestimmen wo das reale Portland endet und Portlandia beginnt. Die Parodie taucht den Bildschirm in Pastellfarben, durch die Luft schweben Seifenblasen und die Darsteller fahren auf Fahrrädern durch die schattigen Baumalleen Portlands.
Die Grenzen zwischen Realität, Fiktion und Marketing-Image sind bisweilen schwer zu erkennen. So geht es auch Brownstein manchmal, wenn sie in ihre Rolle schlüpft. Die Kostüme, die Perrücke, das Fahrrad – alles Teil der Portlandia-Realität und doch muss sie zugeben, „it feels as if I was borrowing from someone´s closet.“ Amanda Needham, die dafür verantwortliche Kostümbildnerin, wurde nicht umsonst 2011 auch mit einem Emmy ausgezeichnet.

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