Empfehlungen zum Staatsbankrott

detroit

Das Programm beschäftigt sich mit der Finanzkrise der 1920er Jahre und vergleicht diese mit der Berichterstattung der deutschsprachigen Presse, im Rahmen der gegenwärtigen „Finanzkrise“. Natürlich lässt sich dabei keine sozialwissenschaftlich korrekte Vergleichssituation herstellen, da sowohl Mediennutzungsmuster kaum vergleichbar sind, als auch verschiedene andere Rahmenfaktoren ein komparatives Vorhaben sehr schwierig machen würden. Es ergeben sich aber dennoch interessante Vergleichsmomente – etwa zur Frage „Wer ist für die Krise verantwortlichwer kollaboriert bereitwillig- und wer muss dafür bezahlen?“ sowie zu den präsentierten Lösungsansätzen, deren Quintessenz meist das öffentliche „Sparen“ ist.

Deutlich wird dabei auch, dass damals wie heute, offenbar recht leicht feststellbar ist, bei wem aus staatspolitischer Räson- leider gespart
werden müsse. Die Kontinuität der Nichtbeachtung des Verursacherprinzips, lässt sich auch mit dem gemeinsamen metaphorischen Nenner der „bitteren Medizin“ darstellen. Das Beklemmende an der „Alternativlosigkeit der Austerität“ über die Zeit ist, dass obwohl unbekannt ist in welche Richtung die gegenwärtige Krise treibt, der Ausgang der damaligen Krise bekannt ist. Alle die nun behaupten, die Situationen sei nicht so mühelos vergleichbar, haben Recht, aber die gegenwärtige Anwendung der bereits bekannten Rezepte lässt Schlimmes erahnen.

Das Programm will es sich aber nicht allzu leicht machen, und will es nicht bei der moralischen Verteufelung der „Unmoral der Banker“ und deren „Gier“ belassen, die über unsere heile Welt angeblich über Nacht hereingebrochen ist. Spannender finden wir die Mechanismen der Komplizenschaft mit Journalismus und Politik. Diese Collage an Artikeln bildet insgesamt ein Sittengemälde zur öffentlichen Kommunikation über Finanzkrisen und ihrer zentralen Diskurselemente, deren Zeitlosigkeit ein fatales Gefühl der Ausweglosigkeit unumgänglich macht. Auch die Rolle der „vierten Gewalt“, die demokratiepolitisch angeblich so wichtig ist, darf anhand der Rolle des Wirtschaftsjournalismus in beiden Untersuchungszeiträumen ruhig angezweifelt werden.

Denn die Moralisierung ist nur der kleinlaute Versuch der Vertuschung von Korruption, Inkompetenz und neofeudalem Politikstil und die Vernebelung des Ursache- Wirkungs- Zusammenhangs soll nur die Dreistigkeit der absoluten Verantwortungslosigkeit gegenwärtiger Eliten für die Massen bekömmlicher machen. Sind wir nicht alle kleine Sünderlein? Deswegen sollen gefälligst auch alle für diese allgemeine moralische Verlotterung bezahlen. Pardon fast alle.

Das Programm „Empfehlungen zum Staatsbankrott“ ist eine ca. 60 Min. Lesung;
gelesen werden aus Zeitungsartikeln der I. Republik (Arbeiter-Zeitung, Reichspost, Neue Freie Presse) sowie aus deutschsprachigen Zeitungen der Gegenwart; ergänzt durch historische Daten und Fakten;

Bernhard Seyringer,
Mediensoziologe;
z. Z. Direktor von MRV: Media Research Vienna;
Lektor an den FH´s St. Pölten und Kufstein;
Herausgeber von XING Kulturmagazin;
seit 2012 Präsident von Euroscience Austria;

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