XING 38 :: Future Intelligence Gathering

Sounds Scientific, nicht wahr? Aber genau darum geht es in diesem Heft. Nicht um weniger. Wir nützen das Jubiläumsjahr 50 Jahre Zukunftsforschung, auch wenn das natürlich wohlwollend gerundet ist, um einen Blick zurück zu machen, in das „Busy Year ´67“, in dem der Grundstein für die Existenz der Zukunftsforschung gelegt wurde. Nun ist es nicht ganz von der Hand zu weisen, was Herman Kahn bereits in den 1960er Jahren feststellte, dass diesem Begriff etwas Esoterisches anhaftet und ein wenig nach Astrologie klingt. Selbst wenn er richtig verstanden wird, erzeugt er falsche Eindrücke und Missverständnisse. Der englischsprachige „Futurist“ hat nicht nur semantisch mehr Appeal, man denkt auch an andere Formen der Debatte und es dampft weniger landgrüner „eine andere Welt ist möglich“-Mief in die Nase. Neben den begrifflichen Schwierigkeiten kam im Deutschsprachigen Raum auch der nachhaltige Frontalschaden in dieser Disziplin dazu, den die Polarisierung der Diskussion zwischen einer, vor normativem Überschwang nur so strotzende Seite rund um Robert Jungk versus den mathematischen Modellschreinern, rund um den Nachrichtentechniker Karl Steinbuch, in den späten 1960er Jahren angerichtet hatte.
Und seien wir ehrlich, machen Sie doch selbst den Visitenkartentausch-Berufsbezeichnungs-Test: „Gerfried Maier, Zukunftsforscher“, würden Sie die einem Menschen geben, von dem sie sich einen Anruf erwarten? – Wohl eher nicht, oder? Bei „Zukunftsforscher“ ist als Antwort nur eine Höflichkeitspause zu erwarten. Sollten Sie nach Nennung des Begriffes nicht Bilder von der Mondbasis Alpha 1 kurz vor Augen haben, rufen Sie uns doch an!
Genau um sich davon abzugrenzen, betrat der „Trendforscher“ in den 1990er Jahren die Bühne. Aus dem Marketing, dem Lifestyle-Bereich oder der Reiseprospektgestaltung kommend, war die job description „Trendforscher“ für die Akteure auch keinerlei Problem. Kommen Sie mit dem Ausbildungshintergrund der Gesellschaftswissenschaften, dann wird ihnen beim Begriff „Trendforscher“ hingegen flau im Magen. Und das, obwohl man dem „Trend“ damit furchtbar unrecht tut: Trendforschung bedeutet das Erkennen und Deuten von sozialen, kulturellen und technologischen Entwicklungen. Von einem Trend wird gesprochen, wenn dieser mehrere Jahre anhält, also nicht bei Phänomenen, die sich durch Schnelllebigkeit auszeichnen, wie die landläufige Auslegung des Trend-Begriffs in sämtlichen Redaktionsstuben suggeriert und damit irrtümlich „Hypes“ beschreiben. Was also anhand all der Irrtümer tun? Ein energieneutrales Ökohaus bauen und den Rückzug ins Ökologisch-Regionale antreten, wo einem alles der „Hausverstand“ sagt?
Nun wie wäre es stattdessen, diesem wichtigen Forschungszweig auch von der Namensgebung in puncto Ernsthaftigkeit ein wenig entgegenzukommen: Ein Pläydoyer für den Begriff „Foresight“. Dieser versteht sich definitionsgemäß als Kombination von Trend- und Zukunftsforschung, nehmen wir das einfach so hin. Und Sie haben recht, sowohl die „Zukunftsforschung“ als auch „Foresight“ suggerieren eine Vorschau im Sinne einer Wettervorschau, eines Forecasting. Eigentlich ist das falsch, oder noch besser: nur sekundär richtig. Ziel der „Zukunftsforschung“ ist es eben nicht, Prognosen zu erstellen, sondern in Szenarien und in alternativen Zukunftsbildern zu denken. Wissen, im Sinne von Orientierungs- und Handlungswissen über wahrscheinliche und wünschbare Zukünfte und mögliche Gestaltungsoptionen zu gewinnen. Die Auseinandersetzung mit zukunftsgerichteten Bildern, Programmen und Prognosen und die Identifizierung von diversen Stör- und Einflussfaktoren.
Bei Strategic Foresight geht es genau darum. Organisationen für ein wissensintensives Nachdenken über mittel- bis langfristige Entwicklungen, Chancen und Risiken zu sensibilisieren. Die Implikationen und Rückkoppelungen von gesellschaftlichem Wandel, sei es durch neue politische Entwicklungen oder Wahrnehmungen, bis hin zu neuen Technologien in Szenarien zu entwickeln.
Das heisst von der aktuellen Migrationskrise bis hin zur Frage, welche Technologien befinden sich in welcher Entwicklungsstufe, begründete Annahmen zu formulieren welche werden sich warum und wie durchsetzen. Wichtig ist – Stichwort neue Technologien – nicht in die Knoff-Hoff-Show orientierte Technology Forecast zurückzufallen und die Technologie nach dem Sehen-und-Staunen-Prinzip beobachten, wie das in so vielen Technologie-Beilagen in Österreichs Medien, leider sogar nach bestem Wissen und Gewissen, praktiziert wird.
Nicht so schlimm, jetzt sind ja wir da:
Future Intelligence Gathering.
In diesem Heft finden Sie neben den Feature-Artikeln zum Thema ein Interview mit Thomas Madreiter, dem Planungsdirektor der Stadt Wien zum Thema Foresight in der Stadtplanung. Mit unserem Partner, dem Copenhagen Institute for Future Studies, freuen wir uns, Ihnen mit den Artikeln „Smart Society: How AI and robots will change the world“ und „In the church of the transhumanists“ einen Vorgeschmack auf die Januarausgabe 2018 von Scenario, dem Magazin des Copenhagen Institute zu bieten.
Ihre XING Magazin-Redaktion
&
Bernhard Seyringer, Herausgeber


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