XING 45 :: Zeitreisen.

Sind wir beim Modernisieren im finsteren Altertum gelandet?

Liebe XING-Leser!

Nachdem ungefähr Ende März klar war, dass der neuartige Corona-Virus dem kühnen XING-Team kaum gefährlich werden konnte, haben wir uns die Frage gestellt, wie es sein kann, dass uns irrationale Massenhysterien in scheinbar immer kürzer werdenden Zeitabständen heimsuchen.
Warum ist das so, in einer Welt, in der es eine in der Menschheitsgeschichte noch nie dagewesene Verfügbarkeit von Information und Wissen gibt? Wie kann es sein, dass eine Welt von Angst regiert wird, die fast in Echtzeit Informationen sammeln und verarbeiten kann, über Information in Orwellschem Ausmaß verfügt, und Technologien einsetzt, die in ihrer Wirkmächtigkeit fast an Zauberei grenzen? Warum setzt ständig der Verstand aus in einer Gesellschaft, die der Ratio und dem Materialismus huldigt?
Leider verbreitet die zeitgeistige Riege der gerühmten Intelligenzia dazu kaum eingängige Denkschablonen, da sie sich ja selber ständig im Gehetze der Angst befindet und gegen furchtbar gefährliche Monster kämpft. Mal gegen Klimawandel, dann gegen Nazis, dazwischen kommt ein ganz wichtiger Skandal, eine Schicksalswahl, daneben und dazwischen wieder Klimawandel und Nazis. Falls doch einmal Luft zum Nachdenken bleibt, beschäftigt man sich gern mit Dingen, die garantiert nie das Leben eines Menschen beeinflussen werden – künstliches Leben, ferne Galaxien oder theoretische Teilchen.
Falls Sie aber die eingangs gestellten Fragen auch interessieren, liebe Leser, dann laden wir Sie in diesem Heft zu einer Zeitreise ein. Eine Zeitreise ist nicht schwer, denn diese führt am Rad der Geschichte entlang. Wir müssen nur am Rad drehen, einem Rad das, ähnlich wie beim Glücksrad, am Ende seiner Reise bei einer Zahl bzw. einer Epoche stehen bleibt. Wir werden hier mal dieses Rad antauchen und beobachten. Wo würde es für Sie einrasten?
Angesichts des traurigen Kasperltheaters, dem man gezwungen ist beizuwohnen sobald man die soziale Isolation verlassen muß, erscheint uns im XING-Team ein Vergleich mit dem, was Menschen vor Hundert Jahren durchlebten, peinlich. Mit „How dare you!?!“ hat Greta noch vor kurzer Zeit alle Welt angeprangert, weil wir ihre Zukunft gefährden. Kurze Zeit später steht unsere auf dem Spiel, das hat viel weniger als die angeblichen zehn Jahre Klimaerwärmung gebraucht. Wenn wir vor diesem Hintergrundlärm heute Rilke oder Zweig lesen, wie sie 1912 oder 1942 erlebt haben, scheint es, als ob alle Brücken in diese Welt zerschlagen worden wären.
Noch grotesker erscheint die Gegenwart, wenn wir autographische Texte von vor zwei- oder dreihundert Jahren lesen. Was haben wir mit Wolfgang Amadeus Mozart noch gemein? Können wir noch irgend etwas nachempfinden, für das Andreas Hofer sein Leben eingesetzt hat? Wirkt die Chronika des Johannes, geboren anno Domini 1358, nicht fremd wie ein rätselhaftes Märchen? Fast denkt man dabei an Adalbert Stifters altes Wien, das zwar irgendwie zur eigenen Geschichte gehört, zu dem inzwischen aber keine Beziehung mehr besteht.
Wie überraschend aktuell wirkt dagegen Aurelius Augustinus Schilderung über Roms Heimsuchungen? Wer kann bei Hermias Verspottung der Philosophen die aktuellen Welterklärer und Theorieakrobaten ausblenden? Ist es möglich, bei Cyprians Worten nicht an einen Staat zu denken, dessen Wohl und Wehe auf dem Meinungsmarkt entschieden wird? Wer sehnt sich, angesichts der neurotischen Weltbühne nicht nach Ephraims wahren Seelenfrieden?
Erleben wir also, mit all der aufgeklärten Moderne, dem materialistischen Weltbild, der angeblich rationalen Wissenschaft und Technik, ein neues altes Rom?
Zeit zum überrascht werden und Nachdenken
wünscht Ihnen
das XING-Team
&
Simone Griesmayr, Kuratorin Heft 45


XING 45 per Email bestellen.
45Lesen Sie hier das Info-Pdf
This entry was posted in Allgemein. Bookmark the permalink.

Comments are closed.